Der Koalitionsvertrag aus GRÜNER Sicht

Was steht drin und was fehlt in dem Koalitionspapier, für dessen Festschreibung die große Koalition aus CDU und SPD annähernd vier Monate gebraucht hat? Was erwartet Aachen in den nächsten sechs Jahren? Viele Fragen bleiben offen.

Im Aachener Ratssaal wird es in den nächsten sechs Jahren nicht viel zu bereden geben - so liest sich zumindest das Koalitionspapier von SPD und CDU.

Viele Wochen musste die Aachener Bevölkerung auf das Koalitionspapier von CDU und SPD warten – um dann zu erfahren, dass es nicht wirklich etwas Neues zu erfahren gibt: Pauschale Aussagen, vage Formulierungen und die Suche nach dem allerkleinsten Nenner. Die GroKo setzt die Politik der letzten Jahre fort, viele Projekte sind bereits beschlossen und auf den Weg gebracht. Unsere Kritik im Detail:

Bürgerbeteiligung: Im Vertrag kommt das Wort „Bürgerforum“ nicht vor. Für uns GRÜNE eine Chance, hier zu gestalten – zumal unsere Ratsfrau Lisa Lassay das Bürgerforum leitet.

Finanzen: Das Kapitel Finanzen steht ganz vorne im Koalitionsvertrag. Grundaussage ist, dass die Haushaltssituation der Stadt Aachen Sparen notwendig macht. Dies kann auch als bequemes Argument für Nichtstun und Stillstand herhalten. Bleibt jedoch alles beim Alten, entwickelt man also keine neuen Konzepte und setzt diese um, hat Aachen keine gute Zukunft. Ohne Investitionen verliert die Stadt an Qualität, Kraft und Dynamik und wird tatsächlich ärmer.

Haushaltskonsolidierung bleibt natürlich ein wichtiges Thema. Nur: Ideen dazu sucht man bei CDU und SPD vergeblich. Der Finanzausschuss soll bei allen wichtigen haushaltsrelevanten Entscheidungen einbezogen werden. Das ist allerdings eine Selbstverständlichkeit und wurde auch in der Vergangenheit so gehandhabt. Die Formulierungen im Koalitionspapier klingen nun so, als solle der Finanzausschuss zu einem „Aufpasser“ für alle anderen Ausschüsse werden. Damit unterstellt man aber den Fachausschüssen, dass sie nicht richtig mit dem Geld umgehen können. Wenn Ausschüsse aber nur „ihre eigene Suppe kochen“, nebeneinander her oder gegeneinander arbeiten und einen „Überwacher“ brauchen, ist das schlechte kommunalpolitische Arbeit.

Kinder und Jugend: Das einzige „Highlight“ der GroKo: Es wird die Einrichtung einer Hotline / eines gebündelten Internetangebots gefordert, das über die Serviceleistungen der Stadt Aachen für Familien informiert. Weiterhin fordert  die GroKo den Ausbau der Betriebs-Kitas und der Randzeitenbetreuung: Es wurde bereits im KJA beschlossen, dass es 2-3 Modell-Kitas in Aachen geben soll, in denen eine Randzeitenbetreuung versuchsweise angeboten wird. Neu im Koalitionsvertrag ist die Kombination von Kita und Tagespflege: Dies haben wir in der Vergangenheit immer abgelehnt, weil die Eltern dann doppelt Beiträge (zwei separate Beitragstabellen) zahlen.

Kultur: Das Kapitel mit der Überschrift „Kultur“ ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird der Versuch unternommen, die Kultur in Aachen und ihre Bedeutung zu beschreiben. Hier gibt es keine Formulierung, der man nicht zustimmen könnte. Allerdings bleibt die Darstellung sehr allgemein und wenig differenziert. Der zweite Teil zählt 17 Maßnahmen von A bis Q auf, die aber eher als Absichtserklärungen formuliert sind. Relativ großen Raum nehmen dabei die Kulturangebote außerhalb der städtischen Institutionen ein: Es gibt sogar das Versprechen für mehr Geld und auch für mehr Raum. Da haben die GRÜNEN Anträge zur freien Kultur, Clubszene und kulturellen Bildung deutliche Spuren hinterlassen. Allerdings bleibt auch dieser Teil sehr oberflächlich. Eine Analyse der Situation fehlt, deshalb werden auch offenkundige Probleme wie die Struktur der Museen nicht benannt. Überhaupt fehlen Konzepte, die mehr erwarten ließen als eine „Verwaltung“ der Kultur.

Liegenschaften und Gebäudemanagement: Eine Vision für eine Bodenvorratspolitik fehlt ebenso wie Aussagen zur Sanierung des städtischen Wohnungsbestandes. Man kann nur hoffen, dass der Sanierungsstandard und der Sanierungsumfang nicht angetastet werden, denn: Sowohl für den Fachbereich Gebäudemanagement als auch für den Fachbereich Wohnen gibt es im Koalitionsvertrag Formulierungen, wie: „Bei Neubauten und Sanierungen von städtischen Hoch- und Tiefbauten wollen wir die Standards überprüfen“. Diese Äußerungen lassen befürchten, dass die bewährten „Aachener Standards“(z.B. bezüglich Dämmung) aufgeweicht werden sollen.

Wohnen: Die GroKo fordert für den sozialen Wohnungsbau eine Spanne von 20-40%, in der Formulierung heißt es: „ …in der Regel wird ein Anteil von 30% angestrebt.“ 20% Prozent ist die aktuelle Festlegung; die schwammige Formulierung von CDU und SPD lässt befürchten, dass es oftmals nicht darüber hinausgeht. Es steht nichts zu studentischem Wohnen oder Wohnen für Senioren im Koalitionsvertrag. Die Fachbereiche Wohnen und Soziales sollen zusammengelegt werden. Das war bekannt.

Mobilität: Es steht vieles drin, was nicht in städtischer Hand liegt; wie etwa der ICE Halt. Weitere bereits beschlossene Projekte sind auf dem Weg. Uns fehlen umfassendere Aussagen zum Thema Elektromobilität, das taucht nur ansatzweise im Umweltkapitel auf. Es gibt keine Antwort auf die bestehenden Kapazitätsprobleme im ÖPNV.

Rechtsextremismus: Das Thema selbst, auch Stichworte wie Runder Tisch tauchen im Vertrag nicht auf.

Soziales: Hier findet der Leser sehr schwammige Formulierungen, es gibt bei der GroKo keine Vision zur Umsetzung der Inklusion. Inklusion wird an einer Stelle sogar mit Integration verwechselt. Im Vertrag findet sich nichts zu den verschiedenen Suchtproblematiken in der Stadt. Die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge sollen „hinreichend“ ausgeweitet werden, es soll ein „angemessener“ Betreuungsschlüssel vom Sozialausschuss verabschiedet werden.

Sport: Die Sanierung sowie die „Attraktivierung“ des Schwimmbades Hangeweiher (unsere Forderung und sogar unsere Formulierung aus dem entsprechenden Ratsantrag) stehen im Koalitionsvertrag. Man findet allerdings keine Aussage zu vereinsungebundenem Sport.

Stadtentwicklung: Die Stärkung des Einzelhandels in der Innenstadt ist ebenso wenig thematisiert wie der Bushof, das Neue Kurhaus, der Tivoli oder die Krefelderstraße. Lediglich die Antoniusstraße wird erwähnt; sie soll baulich aufgewertet werden, eine Verlagerung der Prostitution wird nicht angestrebt. Das ist bestehender Konsens. Es werden keine Entwicklungspotenziale für Aachen erkannt und benannt. Eine Änderung der Nutzung / eine Umgestaltung des Elisenbrunnens (weg von der Bustrasse), die bisher Konsens unter den Fraktionen war, wird nicht erwähnt.

Schule: Es wird eine internationale Schule gefordert. Bis zum Ende der Ratsperiode (in sechs Jahren) soll es ein inklusives Bildungsangebot von der Kita bis zur 10. Klasse geben. Eltern von Kindern mit Handicap haben allerdings JETZT das Recht ihre Kinder an Regelschulen anzumelden.

Umwelt/Energie: Es steht nichts drin zu Klimaschutz, Energieeffizienz, FNP, Solarenergie, Naturschutz oder Wald. Immerhin werden die ausgewiesenen Windkonzentrationsflächen nicht zurückgenommen. Die GroKo fordert, dass Bäche teilweise zur Verbesserung des Stadtklimas offen gelegt werden sollen; eine „alte“ grüne Forderung. Kritisch wird von uns die Forderung nach neuen Gewerbeflächen gesehen. Ebenso kritisch sehen wir die Forderungen der Nutzung / „Bereitstellung“ der Natur für den Menschen. Nicht nur der Mensch hat Bedürfnisse, auch die Natur. Nicht nachvollziehen können wir die Lobeshymnen auf den Stadtbetrieb. Die Umstrukturierung der Dezernate und die Zuordnung des Fachbereichs Umwelt zum Personaldezernat sagt viel über die Bedeutung von umweltpolitischen Aufgaben / Herausforderungen für die GroKo aus. 

Wirtschaft/Wissenschaft: Aachen wird im Vertrag als „traditioneller Industriestandort“ beschrieben; die Stellung der Hochschule dagegen wird weniger betont. Wir fordern eine intensivere Zusammenarbeit der Verwaltung mit der Hochschule. Wir müssen auch die Studierenden als politikinteressierte Bürgerschaft gewinnen.

Personal/Verwaltung: Es gibt keine Vision, wie man eine Verwaltung modern aufstellt. Die anfängliche Formulierung (siehe Präambel), dass alle Strukturen und Aufgaben kritisch geprüft und bei Bedarf optimiert werden sollen, halten wir fest und werden auf jeden Fall nachverfolgen, was an dieser Stelle geschieht. Die Wiederbesetzungssperre wird nicht – wie von der SPD immer gefordert – abgeschafft. Sie bleibt weiter bestehen, bis die Aufgabenkritik vollzogen ist.

Europa: Im Koalitionsvertrag steht nichts zu Europa. Aachen in seiner Bedeutung als Grenzstadt und als Teil des Dreiklangs Aachen-Lüttich-Maastricht kommt nicht vor.

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