Die neue GRÜNderzeit

GRÜNER Kongress für Nachhaltiges Wirtschaften am 12. und 13. Juni 2015 in Mainz. Große Herausforderungen für eine neue Art des Wirtschaftens. „GRÜNES“ Wachstum oder Wachstumswende?

Lisa Lang: Alternative Wirtschaftskonzepte müssen diskutiert und umgesetzt werden

Mitte Juni fand in Mainz der GRÜNE Wirtschaftskongress statt. Der Begriff „GRÜNderzeit“ trifft es gut, steht die Wirtschaft doch vor großen Herausforderungen. Digitalisierung und Vernetzung bieten Risiken und Chancen für eine ganz neue Art des Wirtschaftens.

Von Sharing-Economy, Big Data bis zur dezentralen Energiewende geht es darum, diese so genannte vierte industrielle Revolution zu bewältigen. Ziel ist, eine nachhaltige Wirtschaftsweise mitzugestalten, die mit begrenzten Ressourcen und immer weniger CO2-Ausstoß umgehen muss und die auch in Zukunft ein selbstbestimmtes und gutes Leben ermöglicht.

Verschiedene GRÜNE Akteure haben im Vorfeld des Kongresses ein Diskussionspapier erstellt für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft, in dem die Kernelemente GRÜNER Wirtschaftspolitik aufgeführt sind. Den Kongress eröffneten Eveline Lemke (stellvertr. Ministerpräsidentin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung in Rheinland-Pfalz) und Cem Özdemir (MdB, Bundesvorsitzender von B90/DIE GRÜNEN). In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Kardinal Reinhard Marx, Winfried Kretschmann, Regine Günther (WWF Deutschland) und Ulrich Dietz (GFT Technologies) wurde über ökologisches Wirtschaften diskutiert. Wachstum oder nicht? Was muss sich wandeln? Dies waren die Themen, die auch über den nächsten Tag lebhaft diskutiert wurden.

Anders wirtschaften – Unternehmen im Wandel

Am Samstag gab es verschiedene Panels. Ich habe mir zunächst das Thema „Anders wirtschaften: Unternehmens-DNA im Wandel“ ausgesucht. Thomas Korbun (wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung), Diana Lantzen (Nager IT e.V. – faire Computermäuse), Veronika Schubring (Premium-Getränkekollektiv & Gründerin von project:raum – alternativer Arbeitsort für freischaffende Kreative in Mecklenburg-Vorpommern), und Dieter Janecek (MdB, wirtschaftlicher Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion) stellten sich hier der Diskussion mit den Teilnehmern.

Immer mehr Menschen geben sich nicht mit dem Status Quo zufrieden und wollen eine andere Wirtschaft. Ökologische Produkte, soziale Aspekte und ein regionaler Bezug stehen hier im Fokus. Die drei Unternehmer berichteten, welche Motivation sie antreibt, „anders“ zu wirtschaften und wie ihre Produkte auf dem Markt angenommen werden. Dabei stellte sich heraus, dass sie im Grunde zufrieden sind, aber an der ein oder anderen Stelle mehr Unterstützung von der Politik erwarten.

Zum Beispiel merkte Diana Lantzen an, dass das kommunale Beschaffungswesen schlechte Rahmenbedingungen schaffe, da nur der Preis, nicht aber die Herstellungsweise (sozial, ökologisch – fair produziert) im Vordergrund stehe. Daher hätte ihr Unternehmen auf diesem Markt keine Chance.

Leitbilder und Unternehmenskultur

Thomas Korbun erarbeitet Wege, die Wirtschaft ökologisch, sozial und transparent (Lieferkette) zu gestalten. Hier müssen sich die Leitbilder von Unternehmen und Kunden. Ein Wandel der Unternehmenskultur ist Voraussetzung für eine anders gestaltete Ökonomie. Er plädiert für ein Leitbild der wachstumsneutralen Unternehmensführung, mit dem die derzeit verengten Vorstellungen von Unternehmenserfolg zugunsten vielfältiger alternativer Entwicklungsperspektiven von Firmen aufgebrochen werden können. Also – Kooperation statt Konkurrenz, und Wachstum nicht um jeden Preis.

Veronika Schubrings Getränke-Kollektiv „Premium“ ist eine kleine Getränkemarke ohne Büro, die seit über 13 Jahren existiert und vieles bewusst anders regelt als in der Wirtschaft üblich. Ihr Leitsatz lautet: „Premium will ein faires, ökologisches und sozial tragfähiges Wirtschaftsmodell in hoher Qualität vorleben und verbreiten.“

(Mein) Fazit aus den Diskussionen und Nachfragen des Publikums ist: Ökologisch und soziale Unternehmen sollten mehr im Blickpunkt der Förderung stehen! Start-Ups, die sich um diese Art der Unternehmensführung bemühen, sollten bevorzugt gefördert werden. Nur so kann ökologisch-soziales Wirtschaften möglich werden.

Kreislaufwirtschaft kann vieles leisten

Nach der Mittagspause stellte Prof. Dr. Michael Braungart das Wirtschaftsmodell „Cradle-to-Cradle – Modell für 10 Milliarden Menschen“ vor. Er begeisterte die Teilnehmer des Kongresses mit einer spannenden Rede zur Kreislaufwirtschaft. Technisches verständlich zu machen – eine hohe Kunst, die  Braungart virtuos beherrscht. Vom künstlichen Baum, der CO2 aus der Luft holt, von Teppichen, die Schadstoffe absorbieren, aber auch von Stahl, der aus der Automobilindustrie stammt. In diesem Fall ein Negativ-Beispiel: Hier wurde der Stahl in der Türkei dazu verwendet, Häuser zu bauen, die dann aber bei Erdbeben einstürzen – all das kann (oder eben nicht) die Kreislaufwirtschaft leisten.

Umdenken in Sachen Wachstum

Nachmittags habe ich das Panel „Chance Wachstumswende“ besucht. Leider musste ich diese Veranstaltung früher verlassen, und kann daher an dieser Stelle nur allgemein berichten. Ulrike Herrmann (taz), Ulrike Saade (Saade GmbH), Ralf Fücks (Heinrich-Böll-Stiftung), Sven Giegold (MdEP, finanz- und wirtschaftlicher Sprecher der GRÜNEN/EFA) und Daniel Constein (Co-Organisator des Degrowth-Kongress)  saßen diesmal auf dem Podium.

In der Diskussion ging es um das Wirtschafts-WACHSTUM, wo auch innerhalb der GRÜNEN unterschiedliche Meinungen herrschen. Winfried Kretschmann und einige andere GRÜNE glauben, dass „GRÜNES Wachstum“ die Antwort auf die wirtschaftlichen Herausforderungen ist, aber viele (und auch ich) glauben, dass  Wachstum um jeden Preis der Vergangenheit angehören sollte und dass Wettbewerb nicht die Antwort der Zukunft ist. Immer mehr BürgerInnen sehen in einer Wachstumswende eine Notwendigkeit. Ein Drittel der Unternehmen will gar nicht wachsen, sondern sucht Erfolg bei der aktuellen Größe. Außerdem ist es vielleicht auch ökologisch und sozial sinnvoller, wenn Unternehmen kooperieren statt in Konkurrenz zueinander stehen. Somit könnten viele Innovationen regional umgesetzt werden.

In dieser „Postwachstums“-Wende ist eine Neuausrichtung der Politik notwendig. Will man dem Neoliberalismus die Stirn bieten, müssen alternative Wirtschaftskonzepte diskutiert und umgesetzt werden. Um über dieses „Postwachstum“ zu diskutieren und Handlungsmöglichkeiten zu finden,  gründet Sven Giegold einen Arbeitskreis, der sich mit diesem Thema beschäftigt – gerne bin ich dabei!

Lisa Lang
Ratsfrau und wirtschaftspolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion in Aachen

» Zum Programm des Wirtschaftskongresses (PDF)

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