Energiepreise sozial gestalten

Die dramatische Preisentwicklung bei Öl und Gas stellt nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem auch eine sozialpolitische Herausforderung dar.

Der rapide Anstieg der Energiekosten hat zur Folge, dass 2006 in ärmeren Haushalten jeder zehnte Euro für Heizung und Strom ausgegeben wurde. Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag NRW: „Die dramatische Preisentwicklung bei Öl und Gas stellt nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem auch eine sozialpolitische Herausforderung dar.“

Reiner Priggen befürchtet, dass einkommensschwache Haushalte den fortwährenden Preisanstieg bei Strom, Öl und Gas schon bald nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können. Aus diesem Grund haben die Grünen aktuell einen Antrag in den nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht. Sie fordern neue Systeme bei der Energiepreisgestaltung.

Die Landtagsfraktion der Grünen stellt zwei mögliche Ansätze zur Diskussion: Differenzierte Mehrwertsteuersätze und progressive Tarifmodelle.

Differenzierte Mehrwertsteuersätze:

Es wird ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf eine zur angemessenen Lebensführung notwendige Energiemenge einführt. Dies bedeutet, dass bis zu einer bestimmten Verbrauchsgrenze pro Jahr und Person, dem sogenannten Energieexistenzminimum (z.B. 1000 kWh Strom und 5000 kWh Wärme) die verbrauchte Energie gar nicht oder mit einem verminderten Mehrwertsteuersatz (z. B. 7% wie derzeit für Lebensmittel) versteuert wird. Energieverbrauche, die über das Energieexistenzminimum hinausgehen, werden mit dem normalen Mehrwertsteuersatz (19%) oder einem erhöhten Satz (z.B. 25%) versteuert. Eine solche Regelung ist nicht auf einkommensschwache Haushalte begrenzt, sondern gilt für alle VerbraucherInnen. Für jeden Haushalt ist somit die Möglichkeit gegeben, durch sparsamen und sorgfältigen Umgang mit der Ressource Energie, die aktuellen Kostensteigerungen aufzufangen.

Progressive Tarifmodelle:

Die als Energieexistenzminimum festegelegte Energiemenge (pro Person) wird kostenlos oder zur einem sehr geringen Preis vom Energieversorger an den Verbraucher abgegeben. Oberhalb dieser Verbrauchsgrenze steigen die Kosten je verbrauchter Kilowattstunde progressiv an. Die Mindereinnahmen, die dem Energieversorger durch die kostenlose oder sehr günstige Abgabe des Energieexistenzminimums entstehen, kann er dann durch die Mehreinnahmen bei höherem Verbrauch kompensieren. Der Bund der Energieverbraucher schlägt vor, 1000 kWh Strom kostenlos an jedes Haushaltsmitglied abzuführen.

Unterstützung für energiesparende Haushaltführung

Beide Modelle müssen sicherlich – so Reiner Priggen – hinsichtlich ihre Vor- und Nachteile bei der praktischen Umsetzung überprüft werden. Klar ist aber, dass die heutigen Tarifmodelle und der einheitliche Mehrwertsteuersatz nicht geeignet sind, einen Beitrag zum Schutz vor Energiearmut zu leisten oder gar zum Energiesparen anregen. Reiner Priggen fordert weiterhin, dass insbesondere einkommensschwache Haushalte Unterstützung erhalten müssen, damit sie ihren Haushalt überhaupt energiesparend führen können. Dies zeigt eine einfache Rechnung: Im aktuellen Eckregelsatz für Hartz IV-Beziehende ist 1,38 Euro monatlich für die Anschaffung von Kühl- und Gefriergeräten vorgesehen. Ein Sozialleistungsbeziehender müsste somit für die Anschaffung eines günstigen energieeffizienten Kühlschrankes (angesetzt mit ca. 340 Euro) nahezu 18 Jahre sparen.

Weitergehende Informationen:

Warum ist der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt?

Seit der Jahrtausendwende hat sich der Preis für Roh-Öl etwa verzehnfacht. Das Heizöl ist seit 2003 um 279% teurer geworden. Ebenso sind von 2000 bis 2007 laut Energie Informationsdienst (EID) die Gaspreise im Durchschnitt um 76% gestiegen. Angekündigt sind weitere Gaspreiserhöhungen von ca. 25%. Dies ist jedoch nicht das Ende der schlechten Nachrichten, denn als Reaktion auf die gestiegenen Rohölpreise werden darüber hinausgehende Gaspreiserhöhungen erwartet. Grund hierfür ist die nicht unumstrittene und häufig diskutierte Kopplung von Öl- Gaspreisen.

Wieso existiert diese Preiskopplung und wer hat sie beschlossen? Die Gaspreiskopplung an den Ölpreis ist eine privatwirtschaftliche bilaterale Vereinbarung, welche zwischen den Erdgaslieferanten aus Russland, Norwegen und den Niederlanden und den großen deutschen Importgesellschaften wie etwa Eon- Ruhrgas besteht. Vereinbarungen dieserart werden in langfristigen Verträgen – teilweise mit einer Dauer von bis zu 26 Jahren – festgeschrieben.

Die Verträge haben ihre Ursprünge in den 60iger Jahre, als die Erdgasimporte nach Deutschland begannen. Sie regeln, dass die Erdgasproduzenten ihre Preise mit einem zeitlichen Abstand von ca. sechs Monaten der Preisentwicklung des Öls angleichen. Mit der Anbindung des Gaspreises an den Ölpreis sollte damals verhindert werden, dass mit dem Erdgas ein günstiges Konkurrenzprodukt zum Öl auf den deutschen Wärmemarkt „strömt“. Auch forderte gerade zu Beginn der Importe der Ausbau der Pipelines sehr viel Kapital. Für die Investoren sollte mit der Verkopplung der beiden Preise eine gewisse Preisgarantie und Preisstabilität über einen längeren Zeitraum gewährleistet werden.

Mittlerweile ist Öl ein knapper und somit sehr teurer Rohstoff, so dass häufig diskutiert wird, wie sinnvoll und zeitgemäß diese Verkopplung noch ist.

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