Haushaltsrede 2015: Keine Schwerpunkte, keine Botschaften

Fraktionssprecherin Ulla Griepentrog zum Haushalt der neuen Mehrheit. GRÜNE stimmen dem vorgelegten Entwurf nicht zu. Keine Zukunftsstrategie erkennbar.

Der Rat der Stadt Aachen hat in seiner Sitzung am 28. Januar 2015 den Haushalt 2015 verabschiedet.

Die Haushaltsrede von Ulla Griepentrog:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

um es gleich vorwegzunehmen: Die GRÜNE Fraktion stimmt dem vorgelegten Haushaltsentwurf nicht zu.

Es war ja schon in den Ausschussberatungen deutlich zu sehen: 

Der Haushalt der neuen Mehrheit hat schon im ersten Jahr, schon nach den ersten gemeinsamen Haushaltsberatungen keine Schwerpunkte, keine Botschaft und keine Vision. 

Von einer Parteienkonstellation, die gemeinsam neu antritt, die über eine erdrückende Mehrheit im Stadtrat verfügt, von der muss man erwarten dürfen, dass sie sich der Zukunftsfragen annimmt, dass sie auch schwierige und unangenehme Aufgaben anpackt. Aber was erleben wir? Viel zu wenig, kein Gestaltungswille, keine Ideen!

Wenn Ihnen aber schon im ersten Jahr kaum etwas einfällt, was soll das denn werden in den nächsten fünf Jahren? Was ist mit den Zukunftsthemen dieser Stadt? Was ist mit den - zumindest aus unserer Sicht - drängenden Fragen in der Sozialpolitik, in der Bildungspolitik, in der Verkehrspolitik, bei der Luftreinhaltung, beim Umwelt- und beim Klimaschutz und im Städtebau?

Sie haben mit diesem Haushalt tatsächlich nur einen einzigen Akzent gesetzt. Sie haben Steuern und Gebühren erhöht und das war’s.

Wir erinnern uns noch an die vollmundigen Reden des Fraktionsvorsitzenden der SPD in den letzten Jahren. In sehr scharfem Ton wurde damals die kostenlose Kinderbildung, die beitragsfreie Kita, mehr Wohnungsbau und mehr Sozialarbeit gefordert. Und jetzt? Nach nur wenigen Monaten in der Mehrheit sind bei den Sozialdemokraten schon alle Fahnen eingerollt, ist „Dabei sein“ in der Mehrheit alles. 

Statt Beitragsfreiheit gab’s erst mal Beitragserhöhungen für die Kindertagesstätten und statt einer Wohnungsbauoffensive gibt‘ s erst mal Mieterhöhungen durch höhere Steuern.

CDU und SPD reicht der Hinweis auf die finanzielle Lage der Stadt, um diese Maßnahmen und Ihre Untätigkeit auf allen anderen Gebieten zu rechtfertigen. Die Erkenntnis, dass die finanzielle Situation der Stadt keine großen Sprünge zulässt, ist aber auch keine wirkliche Neuigkeit. 

Bei einem Haushaltsvolumen von 800 Millionen Euro kann man auf der anderen Seite aber auch nicht davon sprechen, kein Geld zu haben. 

Immerhin haben Sie vor, 20 Millionen in die Sanierung des Spielcasinos zu investieren und haben weder ein Nutzungskonzept, noch einen zweiten Mieter.

Immerhin erhöhen Sie den Zuschuss für die Therme in Erwartung von Schließzeiten und Umsatzeinbußen insgesamt um 1,5  Millionen Euro, ohne auf der anderen Seite die Finanzierung der Renovierung und Modernisierung der Therme konkret im Haushalt abgebildet zu haben. 

Wir sollten die vorhandenen Haushaltsmittel besser in die Daseinsvorsorge, in eine präventive Sozialpolitik und einen umweltfreundlichen Verkehr investieren, der unseren Kindern nicht die Luft zum Atmen nimmt.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die schnellere Modernisierung der ASEAG Dieselflotte drei Jahre lang mit einer halben Million Euro zu finanzieren. Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität in den besonders belasteten Innenstadtbereichen. Die Stadt muss hier doch mit gutem Beispiel vorangehen. Sie haben das abgelehnt! 

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Zahlungen der Stadt an die ASEAG jährlich um eine weitere halbe Million zu erhöhen, um schrittweise ein Elektrobussystem aufbauen zu können. Aber in ihrem Koalitionsvertrag kommt das Thema ÖPNV und Elektromobilität ja auch kaum vor. Die Fachleute im Mobilitätsausschuss haben einvernehmlich wenigstens einen Auftrag zur Konzeptentwicklung erteilt. Aber Geld in den Haushalt eingestellt haben Sie nicht. 

Zwei Jahre nach der Abstimmung über die Campusbahn gibt es keine alternativen Pläne, keine Antworten auf die ungelösten Fragen, keine Perspektive für den Öffentlichen Nahverkehr.

Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Schulsozialarbeit, die bisher aus Mitteln des Bildungs- und Teilhabepakets bezahlt wurde, weiter zu finanzieren. Das Land stellt hierzu eine 70%ige Förderung zur Verfügung. Im Finanzausschuss wurde die Entscheidung darüber vertagt. Stimmen Sie wenigstens hier und heute mit uns überein, dass wir auf diese Arbeit an den Schulen nicht verzichten können. Nein, im Gegenteil, wir werden sie ausbauen müssen! Gut, dass die Verwaltung nun in dieser Woche erklärt hat, die Finanzierung in den für 2016 und den folgenden Jahren einplanen zu wollen.

Wie hier werden wir immer wieder zusätzliche Aufgaben übernehmen, neue Projekte finanzieren müssen. Es geht schlicht und einfach darum, wo wir die Prioritäten setzen. Es geht um die Fragen:

Wie machen wir unsere Stadt zukunftsfest? 

Wie schützen wir die Umwelt, wie schaffen wir ein gesundes Klima? 

Wie sorgen wir am besten für die gleichberechtigte Teilnahme aller am gesellschaftlichen Leben?  Eine gute Bildung für alle – davon bin ich überzeugt –ist das beste, präventive Mittel gegen dumpfe Parolen wie in Dresden, gegen Gewalt und Terror wie in Paris.

Unsere vordringliche Aufgabe ist nicht die Sanierung eines Spielcasinos

Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Sanierung des Gebäudes. Allerdings muss sich die Investition rechnen und das ist, solange es kein Konzept und keine verbindlichen Mietverträge gibt, nicht der Fall. Der Eurogress wird die Finanzierung am Ende nicht stemmen können. Am Ende wird dann wieder der städtische Haushalt das Defizit auffangen müssen. Deshalb sagen die GRÜNEN dazu ganz klar: NEIN! Der Haushalt kann sich keinen zweiten Tivoli leisten

Westspiel investiert in Köln und plant dort selbst ein neues Kasino zu bauen. Warum sollte die Gesellschaft dann nicht auch eine größere Summe als bisher zugestanden in Aachen investieren? 

Wir können uns auch keine steigenden Zuschüsse für die Therme leisten. Wir GRÜNE setzen andere Prioritäten:

Wir wollen die Stadt attraktiv machen für junge Menschen, indem sie hier einen leistungsfähigen, modernen ÖPNV nutzen können. Die Studierenden haben ein Semesterticket für Bus und Bahn, kein Auto. 

Wir wollen die Freien Kulturinitiativen stärker fördern statt einen teuren und unnötigen Umbau eines Museumseingangs zu finanzieren. 

Wir wollen aus dem Hangeweiher ein nach heutigen Ansprüchen attraktives Freibad machen, denn das ist auch ein Stück Daseinsvorsorge für breite Schichten der Bevölkerung.

Wir müssen uns doch fragen, für wen machen wir Politik in dieser Stadt. Wer profitiert wovon? 

Dass wir deutlich unterschiedliche Schwerpunkte setzen, konnten wir vor wenigen Tagen eindrucksvoll beobachten. Als die Umweltzone kam, da stimmten CDU und SPD ein in das Wehklagen der Kaufleute. Zum Thema Luftreinhaltung haben Sie in diesem Zusammenhang leider nichts gesagt. Sie sprachen von einem harten Schlag und davon, dass sich die Gäste in unserer Stadt frei bewegen können müssen. Diese Reaktion auf die Umweltzone zeigt doch sehr deutlich, dass Sie mit Umwelt nicht viel am Hut haben.

Und auch im Bereich Planung und Stadtentwicklung fehlt ein ganz entscheidender Baustein, der für die Zukunft unserer Stadt von besonderer Wichtigkeit ist. Ganz bewusst hat die Große Koalition den Wettbewerb für den Bushof und die Entwicklung des Umfelds noch im Veränderungsnachweis aus dem Haushalt gestrichen. Kein Geld mehr für den städtebaulichen Wettbewerb. Kein Geld für die verkehrliche Entwicklung, für die Verlagerung von Haltestellen. Der Bushof ist ein Dreh- und Angelpunkt für die Innenstadtentwicklung.

Hier soll sich also in den nächsten fünf Jahren gar nichts tun? Haben Sie sich den Bushof, die Räume der VHS mal angesehen? Sind Sie sicher, dass das da alles so bleiben kann? Und schon wieder müssen wir die Frage nach den Prioritäten stellen. Hauptsache Spielcasino und Neues Kurhaus? Ist das wirklich Ihr Ernst?

Die Große Koalition hat zudem in kurzer Zeit ein sehr entspanntes Verhältnis zur Verwaltung entwickelt. Die Kämmerin nutzt die Gelder des Schulreparaturprogramms als Steinbruch für nicht schulische Projekte und Sie sagen nichts. Wenn in den kommenden Jahren die zweite Stufe der technischen Sanierung des Hangeweihers aus dem Topf für Realschulen bezahlt wird, wenn aus dem Topf der Gesamtschulen Maßnahmen aus Aachen-Nord finanziert werden, kommt von Ihnen kein Protest. Dabei haben einige Schulen in Aachen durchaus erheblichen Renovierungs- und Sanierungsbedarf, werden sogar Toilettenanlagen wegen Unbenutzbarkeit geschlossen. 

Auch bei den Mitteln für Sanierung und Instandhaltung im städtischen Wohnungsbestand hat die Verwaltung die politisch beschlossene jährliche Anpassung willkürlich gekürzt. Von CDU und SPD haben wir auch hier keinen Widerspruch gehört. Sie nehmen das einfach so hin. War da nicht mal die Parole von der Wohnungsbauoffensive?

Nein, die Große Koalition übernimmt bisher nicht engagiert die Verantwortung für die Zukunft dieser Stadt. Ihnen reicht die Mehrheit, Sie scheinen gar nicht gestalten zu wollen. 

Sie lassen den Oberbürgermeister und die Kämmerin gewähren und Sie fragen nicht, ob Aufgaben noch nötig sind, Aufgaben effizienter durchgeführt werden könnten. Sie machen keine Sparvorschläge. Sie heben stattdessen Steuern und Gebühren an. Wirkliche Initiativen zur Haushaltskonsolidierung können wir leider nicht erkennen.

Bei aller Kritik an den Mehrheitsfraktionen sind wir aber an einem Punkt auch sehr froh, dass wir uns in diesem Rat sehr einig sind. Denen, die zu uns flüchten vor Gewalt und Terror, vor Hunger und Not in ihren Heimatländern, denen stehen wir gemeinsam bei. Angesichts der Bilder aus den Krisengebieten wird jedem klar: Diese Menschen kommen zu uns, um zu bleiben. Danke Ihnen allen für Ihre klare Haltung und danke auch von hier aus an die vielen Ehrenamtlichen, ohne die die Betreuung und Integration so nicht zu bewältigen wäre, und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die sich mit hohem Engagement und sehr oft über den Feierabend hinaus für eine menschenwürdige Unterbringung und eine gute Betreuung einsetzen.

Sehr geehrte Kämmerin, bei aller Kritik im Einzelnen auch ein herzliches Dankeschön an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ulla Griepentrog, Fraktionssprecherin

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