Trinkerstube wäre eine Entlastung

Eine pragmatische Lösung für Aachen. Große Koalition streicht Gelder für geplantes Konzept. Alternativen werden nicht aufgezeigt. GRÜNE vermuten, dass das Thema zu unpopulär ist, um es anzugehen.

Es war fraktionsübergreifender Konsens, ein Konzept für die Trinkerstube auf den Weg zu bringen, meint Lisa Lassay.

Fraktionsübergreifend wurde in Aachen noch im letzten Jahr kräftig gerungen, doch schließlich war es im Haushalt verankert: Das Geld, um ein Konzept für eine so genannte Trinkerstube auszuarbeiten. Die große Koalition indes hat es sich inzwischen anders überlegt und die bereits eingestellten Gelder aus dem Haushalt 2015 kurzerhand wieder gestrichen. Das Thema scheint zu unangenehm, zu schwierig und zu unpopulär, um es anzugehen, vermuten die Aachener GRÜNEN.

„Damit verschließt man die Augen vor dem Thema Alkoholsucht, das – zugegeben – sicher kein einfaches ist“, mahnt Dr. Lisa Lassay, sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN. „Wir finden es aber wichtig, dass es neben den bestehenden Angeboten zur Suchthilfe und Therapien ein niedrigschwelliges Angebot wie eine Trinkerstube für alkoholkranke Menschen gibt.“ Die Idee einer Trinkerstube besagt, dass zunächst schlicht und einfach ein Aufenthaltsraum zur Verfügung steht, wo Abhängige sich treffen können und Alkohol konsumieren dürfen. Es gibt keine Verpflichtung zur Beratung, keine Ansprüche seitens der Gesellschaft an die Besucher der Trinkerstube.

Eine Frage des Respekts und der Würde

„An allererster Stelle wollen wir Entlastung bieten – zum einen eine Entlastung für die Alkoholkranken, die sich bei Wind und Wetter draußen auf den Straßen, auf öffentlichen Plätzen, vor Schulen und Kindergärten, am Bahnhof treffen, um zu trinken“, erklärt Ratsfrau Lisa Lassay das Konzept. „Das ist auch einfach eine Frage des Respekts und der Menschenwürde – auch und gerade im Umgang mit Suchtkranken!“ Zum anderen würde es auch insgesamt eine Entlastung für die Menschen in der Stadt geben. Gerade mit Blick auf den Bahnhofsvorplatz oder den Kaiserplatz und die bald fertig gestellte Aquis-Plaza-Galerie mache es keinen Sinn, die Augen weiter vor der bestehenden Suchtproblematik zu verschließen.

Andere Städte machen es vor

Beispiele für das Gelingen gibt es einige, die GRÜNEN hatten sich vor einiger Zeit davon persönlich überzeugt: Das Café Berta in Dortmund etwa, das in der dortigen Nordstadt eine feste Einrichtung geworden ist. Hier treffen sich inzwischen auch „Nicht-Trinker“ zum geselligen Beisammensein, zum Beispiel eine Skatrunde und andere Stammtische.

„Auch Polizei und Ordnungsamt in Aachen haben das Konzept stets unterstützt, denn es würde ihre tägliche Arbeit deutlich erleichtern“, verweist Lisa Lassay auf den starken außerpolitischen Rückhalt. Doch die Taktik von CDU und SPD scheint zu sein, lieber gar nicht zu agieren als diesen pragmatischen Versuch zu wagen, die Suchtproblematik im Stadtbild zu reduzieren. Zudem fürchten offenbar die freien Träger, die bisher für die Suchthilfe verantwortlich sind, die Konkurrenz eines neuen Angebots bei der Verteilung städtischer Zuschüsse.

„Wir sehen hier keinerlei Ansätze zur Problemlösung, es gibt auch keine Alternativvorschläge, wie etwa mit der Problematik am Kaiserplatz oder am Hauptbahnhof umgegangen wird. Natürlich ist uns bewusst, dass es ein komplexes Thema ist und dass das niedrigschwellige Angebot einer Trinkerstube nur ein Schritt sein kann, sich der Sache anzunehmen. Wegschauen und die Augen zu verschließen, halten wir jedoch an dieser Stelle für den falschen Weg.“ Relindis Becker

» Link zum Café Berta

» Zum Ratsantrag „Errichtung eines Aufenthaltsangebots für obdachlose Alkoholiker“

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